11.03.2016

Michael Connelly – Götter der Schuld

(«The Gods of Guilt», Little Brown & Company, New York, 2013)

Aus dem Englischen von Sepp Leeb

2016, Droemer Verlag, Droemer Knaur, München, 508 Seiten


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Der erste Satz
Ich nähere mich dem Zeugenstand mit einem offenen und freundlichen Lächeln.

Das Buch
Mickey Haller ist der «Lincoln Lawyer», so der Titel des ersten Romans mit ihm (auf Deutsch «Der Mandant»), der gerissene Anwalt in Los Angeles, dessen Büro die Rückbank des Lincoln Town Cars ist, in dem er sich chauffieren lässt. Witzig spielt Michael Connelly auf die erfolgreiche Verfilmung seines Bestsellers an:
Ich bog nach rechts in die First Street und sah die Town Cars am Strassenrand stehen. Es waren sechs in einer Reihe, wie bei einem Begräbnis. Die wartenden Fahrer standen auf dem Gehsteig und ratschten miteinander. Angeblich ist Nachahmung die aufrichtigste Form der Schmeichelei. Jedenfalls sind seit dem Film eine ganze Menge Lincoln Lawyers aus dem Boden geschossen, die regelmässig die Bordsteine vor den Gerichten von L.A. bevölkern. Ich war sowohl stolz als auch genervt. Mehr als einmal war mir zu Ohren gekommen, dass es Anwälte gibt, die behaupteten, als Vorlage für den Film gedient zu haben. Ausserdem war ich im letzten Monat mindestens dreimal in einen falschen Lincoln gestiegen.

Aber das ist Hallers kleinstes Problem im Moment. Er leidet darunter, dass seine Tochter, die bei der geschiedenen Mutter lebt, ihn nicht mehr sehen mag, weil er vor Gericht die bösen Buben raushaut. Dass einer, den ihr Papa vor dem Gefängnis bewahrte, zwei Tage später besoffen eine Mutter und ihre Tochter totfuhr, hat ihr den Rest gegeben. Haller bleibt nur:
Mich an die Hoffnung zu klammern, dass Hayley irgendwann begreifen würde, dass die Welt nicht schwarzweiss war. Dass sie aus Grautönen bestand und dass ihr Vater in dieser Grauzone zu Hause war.

Der Mann, den er jetzt verteidigt, ist zwar ein «digitaler Zuhälter», und das Opfer des Mordes, dessen er beschuldigt wird, war ein Callgirl, das früher Hallers Klientin war und von der der Anwalt meinte, er habe ihr aus dem Sexgewerbe rausgeholfen. Doch Haller ist überzeugt, dass der Angeklagte unschuldig und das Opfer eines Komplotts ist. Er setzt alles daran, dies zu beweisen.
Es ist ein raffiniert aufgebauter Plot, eine spannende Geschichte mit – für einen Justizthriller – reichlich Action. Und, wie immer bei diesem meisterlichen Autor, voller nachdenklicher Zwischentöne aus der Grauzone zwischen Schuld und Unschuld.

Der Autor
Michael Connelly, *1956 in Philadelphia, PA, studierte an der University of Florida Journalismus und kreatives Schreiben. Er arbeitete zunächst als Polizeireporter in Florida. Nachdem er 1986 für den Pulitzer-Preis nominiert war, wurde er Polizeireporter bei der «Los Angeles Times». 1992 erschien sein erster Roman um Harry Bosch. Inzwischen gibt es 19 Romane mit dem Ermittler der Polizei von Los Angeles; die letzten beiden sind auf Deutsch noch nicht erschienen. Neben der Bosch-Reihe veröffentlicht er mit «The Poet» 1996 einen der besten Serienkillerromane. 2005 startete er mit «The Lincoln Lawyer» (deutsch: «Der Mandant», 2007) eine Reihe mit dem Anwalt Mickey Haller. Immer wieder lässt Connelly zum Vergnügen seiner Stammleser Figuren aus anderen Reihen auftreten, so etwa die FBI-Beamtin Rachel Walling aus «The Poet» in Bosch-Romanen. Im im zweiten Haller-Roman traf der Anwalt auf Harry Bosch und die beiden fanden heraus, dass sie Halbbrüder sind; seither kommen beide in beiden Reihen vor. «Götter der Schuld« ist der fünfte Haller-Titel. Nach vielen Jahren in Los Angeles lebt Michael Connelly mit seiner Familie jetzt wieder in Florida.

Die letzten Sätze

Meine Götter der Schuld. Tag für Tag mache ich weiter, ich habe sie immer bei mir: Tag für Tag trete ich vor ihre Geschworenenbank und plädiere in eigener Sache.


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